
Ein gestickter Almosenbeutel
Zu Beginn dieses Beitrags muss ich mich von ganzen Herzen bei Eva-Maria Mair (Alte Fäden/ vrouwen maere) bedanken. Sie stand mich nicht nur rund um die Uhr mit Rat zur Seite, sondern sie hat mir auch ein wunderschönes, pflanzengefärbtes Stück Seidenstoff für diesen Beutel geschenkt! Außerdem habe ich ihre Webseiten regelmäßig für Informationen und Inspiration besucht. Danke Eva! Vielen herzlichen Dank!!!

Auf das Stickmuster (oder hier) bin ich bei einer nächtlichen Pinterestsession gestoßen, als ich nach Mustern für den Zeigelstich gesucht habe. Ich war damals auf der Suche nach einem neuen Projekt und weshalb sollte man seine To-Do Liste abarbeiten, wenn man auch einen Almosenbeutel aus Seide machen kann für den man absolut keinen Nutzen und außerdem kein Kostüm hat, mit dem man ihn tragen kann?
Das Muster ist jenes vom Reliquienbeutel aus der St.-Vinzent-Kirche (Soignes, Belgien). Für die technischen Daten des Originals empfehle ich euch diesen Beitrag von Eva-Maria.
Mir haben jedoch die Querstreifen beim Original nicht gefallen und somit habe ich mich entschieden den gesamten Beutel mit dem floralen Muster in zwei Farben zu sticken. Anders als beim Original habe ich mich für die Farbkombination grün-rot entschieden und einen Stickgrund aus Leinen gewählt. Als Garn habe ich verzwirnte und pflanzengefärbte Seide verwendet.

Nachdem ich die Stickerei vollendet hatte, kamen die nervenaufreibenden Etappen des Herstellungsprozesses. Ich musste zunächst die Stickerei ausschneiden und die Nahtzugabe vorsichtig festnähen. (Ich will nicht wissen wie hoch mein Puls damals war…) Außerdem habe ich noch vier Seidenschlaufen für die Verzierung der Naht angebracht. Dabei ist zu beachten, dass die Schlaufen lang genug sein müssen, da sie nicht nur die Seitennähte, sondern auch die Nähte beim Eingriff (wo das Futter eingenäht wird) verzieren werden. Danach habe ich die Seiten des Beutels mit dem Überwendligstich und einem Leinenfaden zusammengenäht. Währendessen habe ich besonders darauf geachtet, dass das Muster an den Kanten übereinstimmt. Zum Schluss habe ich dann noch die Seitenverzierung gemacht. Für eine genaue Anleitung dieser Schritte lege ich euch Eva-Marias Blogpost ans Herz!
Die fertige Stickerei Die ausgeschnittene Stickerei mit umgeklappter Kante Die Nahtzugabe wird festgenäht. Das Innere des Beutels mit festgenähter Nahtzugabe und eingesetzten Schlaufen für die Kantenverzierungen. Der Beutel wird in der Mitte zusammengeklappt und an den Seiten mit dem Überwendlingstich geschlossen Die Kantenverzierung entsteht Die fertige Kantenverzierung
Und dann… ja dann musste ich das Futter machen… und.ich.hatte.ANGST!
Ich habe zunächst einen Beutel zugeschnitten, der ein bisschen kleiner, als der eigentliche Beutel ist und diesen dann zusammengenäht. Den Futterbeutel habe ich in den bestickten Beutel eingesetzt und wieder mit dem Überwendlingstich vernäht. Auch diese Naht habe ich mit der Verzierung mit den Seidenschlaufen vollendet.
Der Futterbeutel wird eingesetzt und mit dem Überwendlingstich festgenäht. Der Beutel mit vollendeter Kantenverzierung.
Und hier habe ich einen Fehler gemacht. Fällt euch etwas auf?
Ich habe vergessen das Band für die Befestigung am Gürtel anzunähen. (Ehrlich gesagt hatte ich bis zu dem Zeitpunkt das Band noch nicht mal gemacht… und mir ist mein Fehler auch erst aufgefallen, als ich versucht habe das Band anzubringen…). Normalerweise sollte das Band zwischen dem gestickten und dem Futterbeutel verschwinden… wieder was gelernt.
Wie auch immer. Für das Band habe ich einige Nestelmuster aus dem Buch Benns, Elizabeth; Barter, Gina: Tak V Bowes Departed. A 15th Century Braiding Manual Examined, England 2019. ausprobiert und mit dem Original aus Belgien verglichen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Muster 3. A Thin Lace of 5 Loops (S. 42f) am ehesten an das Original rankommt. Für die Aufhängung habe ich den Faden doppelt genommen (auf jeden Finger zwei Schlaufen) und für die Bänder zum Schließen einfach. Bei Letzterem muss man darauf achten, dass an beiden aus den Bändern die Tasseln am Schluss entstehen und sollte somit mehr unverflochtene Fäden einrechnen.
A Thin Lace of 5 Loops
So… und dann mussten die Bänder zum Schließen in den Beutel… Ein Punkt den ich mir lange nicht so ganz vorstellen konnte. Meine große Frage war nämlich wie ich die Löcher versäubere. Ich hatte noch nie eine Versäuberung bei dieser Art von Almosenbeuteln gesehen und die ganzen Beutelmacher*innen zeigen nie das Innere ihrer Beutel und ob sie die Löcher im Futter versäubern oder nicht. Doch dann kam Eva-Maria wieder mit einem Post zur Rettung. (Ihr müsst ihr Instagram Highlight Alms Purses öffen und der fünte Beitrag ist es dann) Die einfache Antwort ist nämlich, dass die Löcher nicht versäubert wurden. Mit dieser Erkenntnis hatte ich keine Ausrede mehr und musste meinen Beutel erstechen. Dafür habe ich zunächst einmal das Original angeschaut und herausgefunden, dass es acht Löcher auf jeder Seite hat und die letzten sehr nah an der Kante liegen. Bei mir liegen die Löcher immer in der Einstichstelle, wo die untere Spitze des seitlichen „Blütenblatts“ mit dem ersten des Hintergrund aufeinandertrifft. Die Löcher sind somit 1,5cm von einander entfernt. Ich habe zunächst ein kleines Loch mit einer stumpfen Maschenraffer vorgestochen und dieses dann mit einer schmalen Stricknadel geweitet. Nach jedem Loch habe ich das Band eingefädelt.
Die Bänder habe ich dann mit einem andersfarbigen Band zusammengefasst und dieses festgenäht.
(Im Folgenden entschuldige ich mich für die Haare und Fussel auf dem Hintergrund. Das passiert nun mal mit zwei Hunden…)
Die Markierungen für die Löcher Nach jedem Loch habe ich sofort das Band durchgezogen. Das erste Band zum Schließen ist eingefädelt. Hier habe ich noch einmal die Position des ersten Loches makiert. Dieses Prinzip habe ich bei den weiteren 7 Löchern fortgesetzt.
Für die Tasseln habe ich erneut das Original besucht und dessen Quasten abgemessen (Ich habe einfach so lange rangezoomt bis der Beutel die Originalgröße hatte :D) und zwei 3cm lange Tasseln angefertigt. Ich habe mich jedoch, anders als beim Original, dazu entschieden die Tasseln so anzunähen, dass sie senkrecht herunterhängen.
Jetzt fehlt „nur noch“ (ha ha…) die Anfertigung von zwei kleinen und zwei mittleren Türkenknoten… doch dafür muss ich erst nochmal den Türkenknoten lernen und Seidengimpe anfertigen (Tutorial)… Aber da ich ja eh erst ein Kostüm für diesen kleinen Beutel brauche, können die Türkenknoten noch warten.
Dieser Post wird ergänzt, sobald es was zu ergänzen gibt.
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Bilder von Leah-Morgana Stadler. Eine Weiterverwendung ist nicht gestattet.
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